Presse

Filderzeitung vom 26.03.2001

In den 80er-Jahren hielten sie das Jugendhaus besetzt: Der erste Hausleiter Bernd Schmidt zusammen mit dem heutigen Chef Klaus Hausch und die ehemaligen Dauergäste Susann Schwarz, Lutz Kommke und Thomas Hübner.

Vom Tischerücken zum Internet-Crashkurs

20 Jahre Jugendhaus: Aus der gemütlichen Teestube ist ein professioneller Dienstleister geworden

Vaihingen. Mit Herzklopfen ist Susann Schwarz das erste Mal seit zwölf Jahren wieder in die Walter-Heller-Straße eingebogen. So aufgeregt war sie, dass sie das Vaihinger Jugendhaus fast nicht mehr gefunden hätte. “Damals”, sagt Susann, “gab es hier noch keine anderen Häuser. Man konnte unser Haus schon von weitem sehen. Doch vor lauter Häusern und Bäumen hab ich es vorhin gar nicht mehr gefunden.” Lutz Kommke hat früher genau wie Susann beinahe seine ganze Freizeit im Jugendhaus verbracht. “Als das Haus noch ganz alleine ohne Nachbarschaft mitten in der Pampa stand, das war die beste Zeit”, erinnert er sich. Das Gefühl von grenzenloser Freiheit war es, das Lutz Kommke damals immer wieder in das Haus zog. Heute sind beide um die 30 Jahre alt.

In diesen Tagen feiert ihr altes Jugendhaus sein 20-jähriges Bestehen, darum sind sie noch einmal zurückgekehrt. Zusammen mit ihren Freunden aus den 80-er Jahren wollten sie diesen runden Geburtstag ordentlich begießen. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und über eine eigene Homepage haben sie es geschafft: Rund 200 ehemalige Jugendhausbesucher aus den vergangenen 20 Jahren kamen am Samstagabend zur großen “Revival-Party” in die Walter-Heller-Straße.

Trotz Partystimmung schwelgten die ehemaligen Hausgäste auch ein bisschen in Nostalgie. “Huch, hier ist ja alles so steril, das sieht ja fast aus wie im Krankenhaus”, meinte Thomas Hübner, als er die altbekannten Räume wieder betrat. “Damals war das hier alles noch nicht so professionalisiert”, pflichtet ihm der ehemalige Hausleiter Bernd Schmidt bei. “In den 80er-Jahren war das Haus ein Ort, an dem wir extremen Menschen die Möglichkeit gegeben haben, extreme Geschichten auszuleben”, erinnert sich Schmidt. Die Grufties etwa durften sich eine schwarzen Raum gestalten, in dem sie ihre Platten rückwärts nach Botschaften aus dem Jenseits abhörten, pendelten und Tischerücken veranstalteten. “Wir waren einfach kreativer”, sagt Lutz Kommke, “es gab kein Zimmer außer dem Büro, in dem wir nicht herumgewerkelt und unserer Fantasie frei Lauf gelassen haben.”

Thomas Hübner sieht das ähnlich. “Hier habe ich gelernt mich durchzusetzen und gemeinsam mit anderen Projekte durchzuführen”, sagt er. Inzwischen ist er selbständig und leitet eine kleine, erfolgreiche Firma. Durchsetzen musste sich auch Susann Schwarz, und zwar gegen ihre Eltern, “ich musste hier anfangs immer heimlich herkommen”, erzählt sie.

Das passiert heute keinem der Jugendlichen mehr. “Wir sind sind sehr bemüht, uns nach außen zu öffnen”, sagt der Leiter Klaus Hausch. Das Haus ist inzwischen mehr als ein Tanzpalast oder eine gemütliche Teestube. Zusammen mit den Schulen bietet Klaus Hausch Sportfreizeiten, Workshops zur Suchtprävention oder Internet-Crashkurse an. Seit einigen Jahren gibt es im Haus auch Kinderprogramme. “Wir sehen uns heute ganz klar als Dienstleister”, sagt Hausch. Professionell gestaltete Projekte und eine eigene Homepage zeugen von dieser Richtungsänderung.

Text und Bild: Nadja Linkenheil

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